Ist die zyprische Literatur ein Sonderfall der griechischen Literatur? Diese Frage stellte sich Michaela Prinzinger anlässlich eines Schwerpunktheftes für die Wochenzeitschrift Jungle World. Anhand dreier Autoren (Christiana Avraamidou, Zeleia Grigoriou und Jorgos Trillidis) versuchte sie, die Besonderheiten der Literaturproduktion auf Zypern nachzuzeichnen.
Obige Frage stellte sich vor einiger Zeit Literaturkritikerin Sigrid Löffler in Bezug auf die Existenz der österreichischen Literatur. Ist Österreich ein Sonderfall der deutschen Literatur bzw. Zypern eine Satellitenerscheinung der griechischen Literatur? Oder sind beide organische Bestandteile der übergreifenden Sprachkultur?
Zypern am Schnittpunkt der Kulturen, speziell zwischen christlich geprägter und islamischer Welt, hat immer schon die Koexistenz verschiedener Sprachen, Religionen und Mentalitäten gefördert. Auf der Insel werden viele Sprachen gesprochen: Griechisch, Türkisch, Armenisch, Aramäisch bzw. Kormakiti-Arabisch, Roma und die Sprachen, der seit den EU-Beitritt Zyperns immer zahlreicher gewordenen Immigranten wie etwa der Philippiner, Srilankesen, Polen und Ukrainer. Und Englisch – als die Sprache der ehemaligen Kronkolonie – ist allgegenwärtig. Die Insel weist eine Volkssprache auf, den zyprischen Dialekt, der lange Zeit nur mündlich tradiert und erst spät verschriftet wurde. Als sprachliche Peripherie fühlt sie sich dem Zentrum – Griechenland – einerseits zugehörig und andererseits ausgeliefert. Das Phänomen „Mutterland“ erzeugt auch auf literarischem Gebiet ein Dilemma zwischen Assimilierungsdruck und Autonomieanspruch.
Kyriakos Charalambidis, der Doyen der Dichterszene auf Zypern, meint: „Die Tragödie ist ein zweischneidiges Schwert. Sie macht die guten Poeten besser und die schlechten Poeten schlechter.“ 1974, das traumatische Jahr der Teilung, hat die Literaten beeinflusst, geprägt, motiviert und auch gelähmt. Nach 2003 ergab sich, lange nach der Vertreibung, die Möglichkeit der Rückkehr an die verlorenen Orte der Kindheit und Jugend. Wie stellt sich die junge Literaturszene Zyperns diesen Fragen? Drei Porträts versuchen eine Antwort zu geben.
Das Große im Kleinen
Die Literatur hat zwei Möglichkeiten: Entweder zieht sie sich ins Private, auf individuelle Erlebnisse zurück oder sie begreift sich als Teil der Gesellschaft und der Geschichte. Viele, wenn nicht die meisten Literaten und Literatinnen wählen Mischformen zwischen diesen beiden extremen Polen.
Die 1978 geborene zyprische Lyrikerin Christiana Avraamidou scheint ihren Standpunkt zwischen Politisierung und dem Blick nach Innen genau und selbstkritisch abzuwägen:„Manchmal spüre ich, dass ich nicht zur zyprischen Familie gehöre, dass ich den Schmerz der Mutter, die ihr Kind im Krieg verloren hat, nicht nachvollziehen kann. Ich fühle mich klein vor alledem. Vielleicht ist meine Thematik im Vergleich dazu nicht so bedeutsam, aber möglicherweise ist es so, dass ich eine neue Generation verkörpere, die eine andere Art von Schmerz und Einsamkeit erfahren hat.“
Christiana Avraamidou wurde vier Jahre nach den traumatischen Ereignissen von 1974 in Athen geboren, und im renommierten Athener Lyrikverlag „Planodion“ werden auch ihre Texte – bislang vier Gedichtsammlungen – verlegt. Sie hat den Sprung in die Verlagsmetropole des „Mutterlandes“ geschafft. Die sehr persönliche Dichtung von Christiana Avraamidou, die an eine Art Tagebuch erinnert, ist lyrisch und empfindsam, voller Gefühl, Spontaneität und verhaltener Kühnheit. Die Gedichte, die Christiana Avraamidou schreibt, beweisen ihr Engagement für das Kleine, das (scheinbar) Unbedeutende, das Verborgene. Sie liebt die Rolle, die Einzelheiten und kleine Dinge in der Poesie spielen, weil sie sich mit umstürzlerischer Bedeutung aufladen können, wenn das dichterische Wort ihnen plötzlich eine Hauptrolle zuteilt: „Das Leben erhält Bedeutung und Wesentlichkeit durch das Detail. Das Geringste ist der Anfang des Ganzen. Die größte Tragödie und die größte Komödie sind nicht durch viele Worte zu beschreiben, sondern durch eine alltägliche Szene, die von sich aus alles schon sagt. Wie ein Mädchen etwa, das am Strand sitzt… ganz allein.“
Die Poesie wird zum Wunderland, das die kleine Alice (oder Christiana) mit großen Augen und großen Wünschen entdeckt. Das Reich der Poesie verspricht Heilung von den Wunden, die das Leben schlägt. Aber es ist auch ein Ort der Scham, denn befragt, ob sie das Thema der Rückkehr an den Ort des Ursprungs und der Kindheit nach der Vertreibung von 1974, die so viele zyprische Autoren beschäftigt, literarisch interessiert, antwortet sie:
„Ich schäme mich, es zu sagen, aber es hat mich noch nicht persönlich berührt. Es kommt mir nahe durch Geschichten von Menschen, die die Vertreibung am eigenen Leib erlebt haben. Es hat etwas Magisches für mich, ihren Beschreibungen zu lauschen. Ich schäme mich jedoch noch mehr, wenn ich sage, dass ich manchmal den Wunsch verspüre, an ihre Stelle zu treten, mich als Teil eines historischen Traumas meiner Heimat zu fühlen. Ich weiß, das hört sich verrückt an.“
Die Gnade der späten Geburt wird für junge zyprischen Autoren zuweilen der Ursprung einer Scham, wenn der literarische Blick nicht nach außen, zum gesellschaftlichen Ganzen, sondern nach Innen, zum Kern des Individuums geht. Die Frage stellt sich, welche ästhetische Chance die jüngste Generation bekommt, die historisch persönlich unbelastet, aber sicherlich vom kollektiven Unbewussten mitgeprägt ist.
Interessant wäre es, Christiana Avraamidous Dichtung in einen Dialog mit einem der Doyens zyprischer Poesie treten zu lassen, zu Jorgos Moleskis´ „Der Nutzen der Dichtung“. Darin sagt er, es bedürfe vieler Worte und Gesten, um das Zwecklose und das Unbedeutende auszudrücken, so wie man die Geschwindigkeit brauche, um die Bewegungslosigkeit wiederzugeben, und vieler Worte, um das Nichts darzustellen. Und man brauche die Poesie, damit dieses Nichts irgendeinen Sinn bekomme. Doch da sich die junge Dichterin ganz bewusst mit dem Unbedeutenden identifiziert, das durch die dichterische Reduktion und Abstraktion wieder neue Bedeutung erlangt, bedarf die Darstellung ihres ganz individuellen Nichts keiner großen Worte, sondern berührt durch seine aufrichtige Unmittelbarkeit.
Das Dilemma der Sprachen
Zeleia Gregoriou wurde 1968 in einem kleinen Ort bei Paphos geboren, sodass ihr das Gefühl der Peripherie von Geburt an vertraut war. Doch besonders intensiv hat sie Diaspora und Exil erfahren, als sie etwa zehn Jahre in den USA lebte und dort zu schreiben begann – in ihrer Muttersprache und auf der Suche nach ihren eigenen Worten und ihrer eigenen Ästhetik. Damals stand sie unter dem direkten Einfluss ihres amerikanischen Arbeitsumfeldes, ihrer philosophischen Lektüre und ihrer persönlichen Erfahrungen in der Fremde.
Die Rückkehr Ende der neunziger Jahre fiel ihr nicht leicht, und vor allem nicht auf eine Insel, die ihr auf den ersten Blick rückständig und patriarchalisch erschien. Nach der Beschäftigung mit Philosophen wie Derrida, Kristeva, Cixous und Irigaray war die Rückkehr in die Realität der zyprischen Grundschulen hart. Heute scheint sie am Ziel aller akademischen Träume angekommen: Sie lehrt an der Universität Zypern in Nikosia. Doch ihr kritischer, durchdringender Blick, ihr Widerspruchsgeist und ihr poetischer Wille sind ihr nicht abhanden gekommen.
Nach den Jahren in Amerika zeichnete sich in Gregorious Werk nach ihrer Heimkehr eine Wende ab. Waren in der Vergangenheit postkoloniale Theorien, Feminismus und philosophisch-poetische Einflüsse der angloamerikanischen Welt stark spürbar gewesen, so treten nun andere, privatere und direktere Themen wie Erinnerung und Liebe in den Vordergrund.
Die gefährdete Art der Caretta Caretta (so heißt auch einer ihrer Gedichtbände), der Unechten Karettschildkröte, die auch in Buchten Zyperns nistet, steht vielleicht auch für den Poeten an sich, der eine vom Aussterben bedrohte Art darstellt. Wegen ihres Fleisches, ihrer Eier und ihres Schildpatts gejagt und verfolgt, steht sie nunmehr unter Naturschutz. Die Meeresschildkröten leben in zwei Welten, an Land und unter Wasser. Im gleichnamigen Gedicht des Bandes scheint die Unvereinbarkeit zwischen den Welten, vielleicht auch zwischen Mann und Frau, zu Tage zu treten. Die Caretta Caretta erinnert gewissermaßen an eine Meerjungfrau, der die Vereinigung mit einem Menschen versagt ist, es sei denn, sie nimmt es in Kauf, ihr eigentliches Wesen zu verraten.
In einem Text „Das Blutbad der Übersetzung“, der nach einem Aufenthalt in Deutschland und nach der Erfahrung mit Lesungen vor deutschsprachigem Publikum entstand, beschreibt Zeleia Gregoriou die Erfahrung des Aufwachsens mit zwei Muttersprachen. Denn von Kind auf ist auf Zypern der Gegensatz zwischen Vater- und Muttersprache spürbar, zwischen einer Sprache der dominanten Kultur, der Obrigkeit und der Kirche, des Handels und der Verwaltung, und einer Sprache der privaten Sphäre, einer Umgangssprache, die in der Familie gesprochen wird.
Das Zyprische ist ein griechischer Dialekt, der sich durch bestimmte phonetische Besonderheiten und durch den Wortschatz, der zum Teil auf sehr alte Schichten des Griechischen zurückgreift, von der gemeingriechischen Standardsprache Athener Prägung unterscheidet. Seit der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts gibt es eine verschriftete überregionale zyprische Volkssprache im Gegensatz zur allgemeinen griechischen gehobenen Verwaltungs- und Kirchensprache. Der zyprische Dialekt bestand zunächst nur in mündlicher Tradition, doch zwischen dem 15. und 19. Jhdt. hat sich eine Reihe von Texten in dieser zyprischen Volkssprache erhalten. Im Zuge der Alphabetisierung wurde die Sprache jedoch nicht mit Texten im zyprischen Dialekt, sondern mit Athener Fibeln in Standardsprache erlernt.
So gerät der Erstklässler in einen (nicht nur) sprachlichen Konflikt beim Anblick des standardgriechischen Wortes „Mamá“ oder „Mitera“ – das erste Wort eines so gut wie jeden Kindes -, das in den Athener Lesefibeln der zyprischen Grundschulen steht. Der Verlust des mit der Muttermilch eingesogenen zyprischen „Mámma“ zementiert schon beim Erstklässler eine Diskrepanz zwischen gesprochener und gefühlter Sprache einerseits und gelesener, angelesener und studierter Bildung andererseits. So entsteht bereits in der Grundschule ein Gefühl der Entfremdung, das die Sprecher des Zyprischen ihr Leben lang nicht mehr loslässt.
Die Subversion der Ironie
Jorgos Trillidis, Jahrgang 1976, mag keine akademischen Fragen. Besonders, wenn man ihn mit folgendem Gedankengang konfrontiert: Wir seien doch gerade dabei, die nationalstaatliche Ordnung, die aus dem 19. Jahrhundert stammt, in Richtung eines geeinten Europa zu überwinden: Sollten wir da nicht auch das Konzept der „Nationalliteratur“ hinter uns lassen? Sollten wir nicht den Begriff „zyprische Literatur“ als Chance auffassen, eine Literatur zu beschreiben, die mehr als eine Sprachkultur umfasst?
„Mal im Ernst: Es gibt keine zyprische Literatur. Es gibt Zyperngriechen, die auf Griechisch schreiben, die aber kein Mensch in Griechenland liest. Es gibt Zyperntürken, die auf Türkisch schreiben, die aber kein Mensch in der Türkei liest. Und es gibt andere – Armenier, englischsprachige Zyprioten etc. -, die auf Englisch schreiben, aber auch kein Publikum finden. Also findet diese Art ´post-nationaler´ Literatur seit Jahrzehnten auf Zypern statt. Na und? Hat es was gebracht? Warum sollte man denn einen Übergang von einer ´Nationalliteratur´ zu etwas Anderem, Größerem, Umfassenderem herbeisehnen? Jeder von uns sollte in einem Zimmer sitzen und versuchen, so gut wie möglich zu schreiben, nur das hat Bedeutung.“
Damit gesellt auch er sich zu den Stimmen der jüngeren Schriftstellergeneration, die nach dem traumatischen Jahr 1974 geboren wurden. Sie wollen sich freischreiben von der Geschichte, und sie wollen sich auf ihr Schreiben konzentrieren, in einem Zimmer für sich allein, wie es Virginia Woolf angeregt hatte. Und sie wollen ihren eigenen Duktus finden, unabhängig davon, in welcher Sprache sie schreiben. Trillidis meint charakteristischerweise dazu: „Wir haben Respekt vor der Geschichte, aber die Zeit der Kampflieder ist vorbei.“
Jorgos Trillidis wurde in Nikosia geboren, studierte in Athen Rechtswissenschaften und in Edinburgh Politikwissenschaften. 1998 und 2000 hat er zwei bemerkenswerte Talentproben abgelegt, nämlich zwei Bände mit Kurzgeschichten: „Hängengeblieben in unseren Mandelwagen“ und „Endzeremonie“. Nach diesem erfolgreichen Start als Literat verdient Jorgos Trillidis sein Brot nunmehr als Rechtsanwalt. Dass er seine Zukunft nicht allein in dieser Rolle sieht, beweist die Tatsache, dass er 2006 einen Studiengang in Creative Writing an der University of East Anglia abschloss.
Jorgos Trillidis´ Stil ist pointiert, geprägt von Ironie und Selbstironie. Zu seinen literarischen Vorlieben und Vorbildern meint Jorgos Trillidis nur: „Der Lieblingsregisseur des trashigen Ed Wood war auch Orson Welles, aber deshalb hat er auch keine besseren Filme gemacht.“ Die Einflüsse von Kino und Rockmusik sind in Trillidis´ älteren Texten nicht zu leugnen. Heute sieht er die Dinge etwas abgeklärter: Sie hätten ihm früher als Krücken gedient, heute hoffe er, sie nur mehr als literarische „Nahrungsergänzung“ zu benötigen. In „Endzeremonie“ gibt es eine Erzählung, die mit dem spektakulären Selbstmord des Protagonisten endet, der im Zeichen verschiedener angloamerikanischer Rocksongs steht. Generell hat Trillidis seinen zweiten Erzählband unter das Motto „Tod“ – in Form von Siechtum, Selbstmord, Unfall, Euthanasie – gestellt. Trocken, wie in all seinen Statements, erläutert er das Motiv: „Damals war ich 22. Ich wusste mir keinen besseren Weg, um ernst genommen zu werden.“
Bereits den ersten Band seiner Kurzgeschichten hat Trillidis durch ein gemeinsames Element zu verknüpfen gewusst. Durchgehendes Thema waren alle möglichen Arten von Fortbewegungsmitteln, in denen die Erzählungen spielen. In der Bewegung von Hier nach Dort, in der Mobilität, im Unterwegssein entwickelt sich eine Geschichte. In seinem zweiten Erzählband steht das Zu-Ende-Gehen, das Ablaufen einer Frist im Mittelpunkt, also der Tod in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen. Aber schnell stellt der Leser fest, wie Trillidis mit diesem Thema umgeht: auf leichtfüßige und subversive Art und Weise. Die Erzählung „Eins zu einer Million“ etwa über den tödlichen Verkehrsunfall eines braven Familienvaters und die groteske Benachrichtigung seiner Ehefrau durch die den Tod auf zynische Weise verwaltende Institution – das Krankenhaus und den zuständigen Arzt – ist auf ganz theatralische Weise wie ein kleiner Einakter aus fünf Szenen aufgebaut. Die am Morgen zum Ärger des Familienvaters stehen gebliebene teure Uhr wird zum Symbol dafür, dass die Zeit abgelaufen ist, und zum Symbol eines angekündigten Todes.
Trillidis´ Erzählungen spielen in einem undefinierten Raum, in einer anonymen Großstadt, in einem Hotel, das irgendwo stehen könnte. In einer einzigen Geschichte, in der er seinen eigenen Großvater verewigt, wird das Setting plötzlich „regional“, und zwar durch die Sprache des Großvaters, der den zyprischen Dialekt verwendet. Plötzlich wird in einer Welt, in der alles global, alles gleichzeitig und überall auf der Welt verfügbar und zugänglich ist (siehe Internet) und keinen Ursprung mehr zu haben scheint, die Herkunft und das Regionale betont. In der Erzählung versuchen Tochter und Enkel den Großvater zu überreden, sich in England ärztlich behandeln zu lassen, was der Großvater aus ideologischen Gründen strikt ablehnt, da er fürchtet, seine Identität zu verraten, wenn er ins „Feindesland“ fährt. Der Großvater verkörpert das Zu-Ende-Gehen einer kulturellen Identität, die sich definierte im Kampf gegen die Engländer, gegen die Unterdrücker, gegen die politischen Gegner, und auch als Abgrenzung des Regionalen gegen das übermächtig Globale. Nicht umsonst hängt die Drohung mit dem Altersheim im Raum, also mit der „europäischen“, der „fortschrittlichen“ Form der Unterbringung der Alten im Vergleich zur althergebrachten Altenpflege in der Familie.
Es ist verständlich, dass sich junge zyprische Autoren scheuen, den Dialekt literarisch zu verwerten und ihn daher nur ganz sparsam und gezielt einsetzen. Es könnte, so möchte man einwenden, ein Versuch sein, Sprache als Herrschaftsinstrument zu unterlaufen, da der Dialekt oftmals realistischer, naturalistischer, auch emotionaler als die Standardsprache ist. Damit könnte man aufbegehren gegen die Entfremdung durch die Entscheidungshoheit eines alles bestimmenden Zentrums – Nikosia, Athen, Brüssel.
Doch selbst angesichts dieser Möglichkeiten bleibt Jorgos Trillidis Realist, was die Reichweite der literarischen Äußerung und die Rolle der Literaten in einem sich erweiternden Europa betrifft: „Ich will den Film ´Das Tagebuch der Bridget Jones´ zwar nicht unbedingt empfehlen, aber es gibt darin eine aussagekräftige Szene: Salman Rushdie, der sich selbst spielt, ist zu einer Buchpräsentation eingeladen. Das einzige, wonach die Gäste Salman Rushdie fragen, ist der Weg zur Toilette. Das ist meiner Meinung nach die Rolle des Literaten, sowohl in einem sich erweiternden Europa als auch in einem zur Bedeutungslosigkeit schrumpfenden Nationalstaat.“
Literaturhinweise:
Zypern literarisch. 12 Porträts. Hrsg.: Botschaft der Republik Zypern, Berlin 2008. Zypern. Begegnung zwischen Poesie & Fotografie. Hrsg.: Botschaft der Republik Zypern, Berlin 2008.
Sämtliche literarische Texte des Supplemento wurden von Michaela Prinzinger aus dem Griechischen bzw. aus dem Englischen (Adriana Ierodiaconou und Nora Nadjarian) übertragen.
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