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Offshore – Προδημοσίευση

Βγήκε ο νέος Μάρκαρης σε μετάφραση της Μιχαέλα Πρίντσιγκερ! Aπό τις 23 Αυγούστου 2017 στα βιβλιοπωλεία. Διαβάστε εδώ το δεύτερο κεφάλαιο 2 του «Offshore» …

Η δολοφονία ενός υπαλλήλου λύνεται σε χρόνο μηδέν, αλλά ο αστυνόμος Χαρίτος είναι δύσπιστος. Όλα γύρω του είναι τόσο τέλεια που φαντάζουν ψεύτικα. Ο κόσμος απολαμβάνει τη ζωή λες και δεν υπήρξε ποτέ κρίση. Η Κατερίνα, η κόρη του, θέλει να αγοράσει ένα διαμέρισμα, τώρα που τα δάνεια είναι εύκολα. Το γρήγορο χρήμα έχει ωστόσο το τίμημά του: η δολοφονία του υπαλλήλου ήταν μόνο η αρχή.Offshore_Cover

Kapitel 2

Wann hat der Weihnachtsmann bloß all die Geschenke gebracht? Und woher? Das bleibt unklar, aber es interessiert auch keinen. Hauptsache, alles ist so wie früher, BMWs und Mercedes rollen wieder, man geht jeden Abend aus und gönnt sich ab und zu einen Wochenendtrip.

Alles kam, im wahrsten Sinn des Wortes, aus dem Nichts, oder anders gesagt, über Nacht. Während sich die Griechen gerade auf die Rückkehr zur Drachme vorbereiteten und Adriani sich fragte, ob sie in weiser Voraussicht nicht lieber Vorräte anlegen sollte, war eines Tages ganz Athen mit Plakaten zugeklebt, auf denen die Buchstaben W.W.W. prangten. Darunter stand nur eine kleine Frage: »Was wäre, wenn?«

Es folgten Radio- und tv-Werbespots mit derselben Abkürzung und derselben Frage, ohne weitere Erklärung. Die Griechen fragten sich, was das zu bedeuten habe und wer wohl hinter der Kampagne stecke. Jeder gab lang und breit seine Meinung zum Besten, die Interpretationen reichten von »Quizfrage« bis »Verschwörung ausländischer Mächte«. Keiner konnte sich vorstellen, dass sich eine politische Partei dahinter verbarg. Adriani war felsenfest davon überzeugt, dass es sich um eine pr-Aktion handelte, die das beworbene Produkt erst nach und nach enthüllte. Die Medien schworen Stein und Bein, sie wüssten von nichts. Die Reklamespots würden ihnen von einer pr-Agentur zugeschickt, die sich nicht weiter dazu äußere.

Die Verwunderung war groß, als herauskam, was die Abkürzung W.W.W. bedeutete: Partei für Werte, Wirtschaft und Wohlstand. Darunter stand zum ersten Mal im vollen Wortlaut die Frage: »Was wäre, wenn wir es schaffen? Gebt uns drei Monate Zeit. Schaffen wir es nicht, treten wir ab.« Keiner nahm die Sache ernst, alle hielten es für eine Spaßpartei. Von den Stammtischen bis zu den tv-Morgenmagazinen machten sich alle über W.W.W. lustig, obwohl niemand wusste, wer dahinterstand, da sich die Initianten nicht outeten und sich somit Spott und Hohn entzogen.

Nach einem Monat fand endlich eine erste Pressekonferenz statt. Eine Gruppe von vierzigjährigen Politikern trat vor die Kameras und verkündete die Gründung einer neuen Partei: W.W.W. sei nicht, wie sonst üblich, aus der Abspaltung von einer alten Partei entstanden, sondern es handele sich um einen überparteilichen Zusammenschluss. Die Mittvierziger waren aus ihren Parteien ausgetreten, um einen Neuanfang zu wagen. In der Gründungserklärung hielten sie fest, dass sie alte, obsolet gewordene ideologische Differenzen überbrücken und das Land durch eine gemeinsame Initiative aus der wirtschaftlichen Talsohle führen wollten. Die Mitglieder der neuen Partei waren keine Parlamentarier, sondern es handelte sich um Funktionäre, die vom Intrigenzirkus der politischen Parteien die Schnauze voll hatten.

W.W.W. wartete mit keinem Programm auf, legte sich auf nichts fest und machte keine Versprechungen. Die Parteileitung beschränkte sich auf die Frage »Was wäre, wenn?«, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Und ihre Antwort lautete stets: »Gebt uns drei Monate Zeit. Schaffen wir es nicht, treten wir ab.«

Naturgemäß fielen alle übrigen Parteien über W.W.W. und ihre Mitglieder her. Die Medien mokierten sich lauthals über die Initiative, da sie sie nicht ernst nahmen. Doch die Mittvierziger von W.W.W. erwiesen sich als klüger und besser vorbereitet als ihre Gegner und die Medienmeute.

Wenn ein tv-Journalist mit süffisanter Miene fragte: »Nun, wie gedenken Sie, ohne Wahlprogramm die Wahlen zu gewinnen? Sollten die Bürger nicht wissen, welche Ziele Sie haben?«, brachten sie immer das gleiche entwaffnende Argument vor: »Bis jetzt haben die Bürger ein Wahlprogramm gewählt, das dann gar nicht umgesetzt wurde. Ist es nicht besser, keine Versprechen zu machen, wenn sie nach der Wahl ohnehin nicht eingehalten werden? Ist es nicht besser, wenn der Wähler einer Gruppe junger Politiker sein Vertrauen schenkt, die keiner alten Partei und keiner Ideologie anhängt? Wir schlagen den griechischen Bürgern eine Regierung der nationalen Einheit vor, die sich bereits vor den Wahlen konstituiert hat.«

Damit gebe es nach den Wahlen auch keine zermürbenden Koalitionsverhandlungen, die sich bis zum Jahre Schnee hinzögen.

Und so fand die Frage der W. W. W. »Was wäre, wenn wir es schaffen?« die logische Antwort: »Mit einer Regierung der nationalen Einheit schaffen wir es.« In einem Land, in dem sich alle ständig gegenseitig an die Gurgel springen, glaubte man plötzlich, dass alles möglich ist, wenn nur alle an einem Strick ziehen. Die süße Pille einer Regierung der nationalen Einheit wurde geschluckt: Die W.W.W. gewann die absolute Mehrheit, und die übrigen Parteien rauften sich die Haare – aber jetzt war es zu spät.

Erwartungsgemäß lauerten alle – die anderen Parteien, deren Wähler sowie die eigenen Gefolgsleute – mit dem Gewehr im Anschlag. Alle waren sicher, dass die W.W.W. ihre eigenen Vorgaben nicht umsetzen würde. Schließlich gehörte die Taktik »Das eine sagen und das andere meinen« zum Grundrepertoire der griechischen Parteien.

Doch die W.W.W. wurde vom Saulus zum Paulus: Plötzlich begann im Land Geld zu fließen, dessen größter Teil aus Privatisierungen stammte, welche die Regierung mit einzigartigem Tempo und verkürzten Verfahren vorantrieb.

Die übrigen Parteien fühlten sich dadurch in die Enge getrieben und schrien: »Sie verscherbeln das Tafelsilber! Das staatliche Eigentum kommt unter den Hammer!« Die W.W.W. erwiderte darauf mit der Stimme der kühlen Vernunft: »Wenn man Schulden und kein Geld mehr hat, dann verkauft man sein Haus, um sie zu bezahlen. Das tun alle Hausbesitzer, so schwer es auch fällt.«

Doch dabei blieb es nicht. Die W.W.W. gründete einen Fonds zur Förderung von Unternehmen, die jungen Menschen Jobs anboten. Gleichzeitig setzten sie in Zusammen- arbeit mit dem privaten Versicherungssektor die Reformierung der Sozialversicherung in Gang.

Es passierte genau das, was niemand erwartet hatte. Es zirkulierte wieder Geld auf dem Markt, die Arbeitslosig- keit sank schrittweise, und die Bevölkerung war zufrieden – nicht, weil sie mehr Geld verdiente, sondern weil sie das Wenige, das sie hatte, nicht auch noch verlor. Innerhalb weniger Wochen hatten sich die Griechen selbst aus dem Sumpf gezogen. Verkehrsstaus, begleitet von Gehupe und Geschimpfe, waren wieder an der Tagesordnung, und die Autohändler konnten endlich wieder ihre neuen Modelle unter die Leute bringen.

Dieser Wandel hatte, wie von der W.W.W. versprochen, nur drei Monate beansprucht. Normalerweise verbindet man in Griechenland so einen Zeitraum mit Totengedenk- tagen, Seelenmessen und der traditionellen Totenspeise nach dem Ableben eines Verwandten oder Bekannten, aber diesmal wurde Hochzeitskonfekt verteilt für die gelungene Vermählung mit der W. W. W.

Das alles geht mir durch den Kopf, während ich auf Adriani warte, um zur Auferstehungsfeier aufzubrechen. Wir haben uns für eine Kirche in unserem Viertel entschieden, um nicht wieder, wie am Karfreitag, ins Zentrum pilgern zu müssen. Denn das wäre an so einem Tag das reinste Martyrium und würde deshalb besser zum Karfreitag passen.

Adriani bringt die Osterkerzen, und wir machen uns zu Fuß auf den Weg. Vor der Kirche erwarten uns Mania und Uli, die am Kardienstag aus Deutschland zurückgekehrt sind, wo sie mit Ulis Eltern Ostern gefeiert haben. Beide halten Osterkerzen in der Hand und begrüßen uns mit einem Lächeln.

»Haben Sie schon die Ostersuppe vorbereitet, Frau Adriani?«, fragt Uli. Er spricht schon ganz passabel Grie- chisch, auch wenn er immer wieder eigenwillige Redewendungen kreiert.

»Keine Sorge, Uli!«, beruhigt ihn Adriani. »Ostersuppe und gefärbte Eier stehen parat.«

»Wann zünden wir die Kerze an?«, fragt Uli.

»Erstens ist das keine gewöhnliche Kerze, sondern die ›Lambada‹, die Osterkerze. Und zweitens bist du mittlerweile schlimmer als ein Grieche. Wenn du könntest, wür- dest du zuerst die Ostersuppe essen und dann zur Auferstehungsfeier gehen«, schilt Mania und sagt dann zu Adriani: »Wissen Sie, dass wir seit Mittwoch fasten, Frau Adriani? Uli wollte es so!«

»Bravo, mein Junge!«, reagiert Adriani begeistert. »Hast du die Hülsenfrüchte auch gut vertragen?«

»Ja, wunderbar.«

»Die haben ja nicht einmal mir geschadet, obwohl ich die ganzen vierzig Tage fasten musste«, werfe ich, halb im Ernst und halb im Scherz, ein.

»Sie haben die komplette Fastenzeit durchgehalten?«, staunt Mania.

»Ich habe ein Gelübde abgelegt«, erläutert Adriani, aber sie kann nicht näher darauf eingehen, da der Priester »Kommt und empfangt das Licht!« singt und den Gläubigen das heilige Licht weiterreicht.

Uli wirft sich sofort in die Menge, und innerhalb kürzester Zeit gelingt es ihm, seine Osterkerze anzuzünden.

»Bravo, Mania«, meint Adriani bewundernd. »Du hast ihn zu einem richtigen Griechen gemacht.«

»Wie lautet noch das Sprichwort für Eheleute, Frau Adriani?«, erwidert Mania vergnügt. »›Besser ein Schuh aus der Heimat, auch wenn er geflickt ist.‹ Uli ist zwar nicht aus meiner Heimat, aber ich habe ihn geflickt.«

Auf dem Nachhauseweg schallt uns überall der Gruß »Christus ist auferstanden« entgegen.

Adriani läuft, sekundiert von Mania, sofort in die Küche. Als Uli und ich im Wohnzimmer Platz nehmen, klingelt das Telefon. Katerina, Fanis und die Schwiegereltern sind am Apparat, die uns allen reihum frohe Ostern wünschen.

Nach dem Telefonat verschwindet Adriani wieder in der Küche. Kurz darauf kommt sie zurück, um die Ostersuppe zu servieren, gefolgt von Mania, die den Salat und die rot gefärbten Eier bringt. Beim »Eiertitschen« gewinnt Adriani gegen mich und Uli gegen Mania.

»Ein Deutscher, wie er im Buche steht«, scherzt Mania. »Er gewinnt immer.«

»Wissen Sie, was Griechen und Deutsche im Hinblick auf die Religion unterscheidet?«, fragt Uli mich.

»Hm … dass die einen orthodox sind und die anderen katholisch oder evangelisch?«

»Ihr seid orthodox, also Teil des Orients. Wir sind Teil des Abendlandes und nehmen alles immer sehr ernst. In der Kirche müssen wir still sein und den Kopf senken. Ihr hingegen findet sogar einen Grund zum Feiern, wenn Jesus Christus zu Grabe getragen wird. Das gefällt mir. Denn es ist scheinheilig, einen Feiertag, dessen Ausgangspunkt so viele Jahre zurückliegt, in gedrückter Stimmung zu begehen. Ihr aber freut euch rückhaltlos am Fest.«

Adriani hat recht, er ist ganz zum Griechen mutiert, denke ich mir, während Uli voller Appetit die Ostersuppe löffelt.

Text: Petros Markaris. Übersetzung: Michaela Prinzinger. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Diogenes Verlags

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