Michaela Prinzinger erzählt in ihrem Beitrag für die Zeitschrift „Übersetzen“ des bundesdeutschen Literaturübersetzerverbandes VdÜ von Entstehung und Philosophie des zweisprachigen Kulturportals diablog.eu.
Als ich vor drei Jahren das deutsch-griechische Kulturportal diablog.eu ins Leben rief, nahm der Satz „Übersetzer sind Kulturpolitiker“ in meinem Kopf mit der Zeit immer konkretere Gestalt an. Ich hatte keinen Mäzen und keine finanzielle Förderung, nur den Willen, über kulturelle Bildung eine Image-Veränderung auf beiden Seiten zu bewirken. Dabei war eins klar: Das ist kein Ziel, das man kurzfristig erreicht. Dafür braucht man einen langen Atem.
Im August 2014 hatte ich die mediale Schlammschlacht zwischen Deutschland und Griechenland satt und setzte eine Idee um, die lange in mir gereift war: ein zweisprachiges Portal als Brücke zwischen Menschen und Kulturräumen, und nicht zwischen Ländern mit fest gezogenen, nationalen Grenzen.
Das deutsch-griechische Verhältnis war beschädigt, Griechenland lag am Boden. Da wollte ich die Hand ausstrecken. Jede Wirtschaftskrise beinhaltet auch eine emotionale Krise. Es gibt so viele Deutsche, die gerne in dieses Land reisen und mit Griechen freundschaftlich fest verbunden sind. Ich wollte mithelfen, durch Übersetzungen einen Dialog zwischen Griechen und Deutschen zu initiieren und beide Kulturen einander verständlicher zu machen. Außerdem lebe ich in Berlin, einer der vitalsten Metropolen Europas, die immer mehr zum Anziehungspunkt für junge Griechen wird. Mein Gefühl sagte mir, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt für ein solches Vorhaben war: Unser kreatives Potential bietet einen Ausweg aus Unbehagen und Desillusion.
Darüber hinaus wollte ich ein Netzwerk schaffen, eine Plattform eröffnen, einen Dialogkanal erschließen für Menschen, die bislang auf die Berichterstattung in den Mainstream-Medien und die sehr eingeschränkte Auswahl der hiesigen Verlage und Zeitschriften angewiesen waren. Dabei war ich auf die Hilfe von Kulturakteuren aus beiden Ländern und die Kooperation von Brückenbauern = Übersetzern angewiesen. Und über den Netzwerkgedanken hinaus ist der Gedanke des zivilgesellschaftlichen Engagements grundlegend für mich. Aus der Zivilgesellschaft muss die wahre Kulturpolitik kommen, nicht nur aus den Chefetagen von Kulturinstituten und Stiftungen.
Die Auszeichnung mit dem Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung hat mich in meinem Ansatz bestätigt. Ich interpretiere den Preis als Ermunterung von uns Literaturübersetzern, mit dem Kulturtransfer unermüdlich weiterzumachen. Zum ersten Mal wurde von offizieller Seite aus dem deutschsprachigen Raum anerkannt, dass es einen Transfer zeitgenössischer griechischer Kultur gibt, und sogar, dass er erwünscht ist.
Kultur verbindet, das ist unser Motto. Darin finden wir uns wieder, nicht im der Tagesaktualität unterworfenen Diskurs von Politik und Medien. Darin können wir aufeinander zugehen und wirklich Verständnis füreinander entwickeln, weil uns dieselben Fragen beschäftigen, auf die Kunst- und Kulturschaffende versuchen, eine Antwort zu geben. Vor allem der Dialog zwischen ökonomisch ungleichen Gesellschaften wird auf der Ebene der Kultur erleichtert. Es geht um das symbolische Kapital, das in diesen Ländern durch Kreativität und Engagement produziert wird. Im Grunde geht es um eine Neudefinition von „Kapital“.
Mit diablog.eu bin ich aber auch einen Schritt über die reine Übersetzertätigkeit hinaus gegangen. Dieses Portal öffnet sich allen Kulturformen wie Musik, Theater, Film, Tanz und Bildende Kunst. Der Übersetzer wird zum Kulturpolitiker – ohne weisungs- oder parteigebunden zu sein. Das ist ein großer Vorteil. Unser einziges Interesse ist die Herstellung von Kommunikation und Verständigung auf der Basis von gegenseitigem Respekt. Was wir machen, ist Kulturdiplomatie von Mensch zu Mensch. Zugrunde liegt die Idee eines Netzwerks, das uns alle auffängt und miteinander verbindet. In den letzten anderthalb Jahren sind wir langsam, aber kontinuierlich gewachsen. Wir wollen keine Kulturblase erzeugen, sondern das Netz jeden Tag ein Stück weiter weben.
diablog.eu hat eine Lücke gefüllt, da es im deutsch-griechischen Bereich nur eine institutionelle Kulturpolitik gibt, die von staatlicher Förderung abhängt, und keine weiter reichende personalisierte Kulturpolitik, die auf täglicher Basis Menschen verbindet. Der Erfolg – 500 zweisprachige Posts, 4.000 Follower, eine wöchentliche Reichweite über die Sozialen Medien von 15-20.000 Usern und 280.000 Besuche auf unserer Website – ist auf jeden Fall der Zweisprachigkeit geschuldet, die für mich und die Redaktion enorm viel Arbeit darstellt, aber unabdingbarer Teil unserer Philosophie ist. Durch diese Zweisprachigkeit erst wird Kommunikation gewährleistet, jeder kann jeden Text in beiden Sprachen lesen.
Durch die Gründung des Vereins Diablog Vision e. V., deutsch-griechische Begegnungen, möchten wir unseren Aktionsradius erweitern und uns als Partner für Projektentwicklung und Veranstaltungen profilieren. Für uns Übersetzer ist diese Arbeit des Brückenbauens unser tägliches Brot und unser schönstes Lebensmotto.
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