Website_Ueber_mich_Fotos_6

Eine digitale Kulturbrücke bauen

Interview vom 28. März 2017 von Dimitra Didaggelou, Autorin und Psychologin, mit Michaela Prinzinger in der Athener Tageszeitung „Efimerida ton Syntakton/Zeitung der Redakteure“ über diablog.eu, den Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung und ein neues Modell der deutsch-griechischen Übersetzungsförderung.

diablog.eu ist seit fast drei Jahren online. Woran liegt Ihrer Meinung nach der Grund für den großen Erfolg beim deutsch-griechischen Publikum?

diablog.eu hat eine Lücke gefüllt, da es nur eine institutionelle Kulturpolitik gibt, die von staatlicher Förderung abhängt, und keine personalisierte Kulturpolitik, die zwischen Menschen stattfindet. Der Erfolg ist auf jeden Fall der Zweisprachigkeit geschuldet, die für mich und die Redaktion enorm viel Arbeit darstellt, aber unabdingbarer Teil unserer Philosophie ist. Mich haben immer schon Websiten genervt, die zweisprachige Inhalte versprechen, sie aber nicht durchgängig anbieten. Das wollten wir anders machen. Durch diese Zweisprachigkeit erst wird Kommunikation gewährleistet, jeder kann jeden Text in beiden Sprachen lesen. Für uns Übersetzer ist diese Arbeit des Brückenbauens unser tägliches Brot und unser schönstes Lebensmotto.

Vor einigen Monaten haben Sie den Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung erhalten. Was bedeutet das für Sie?

Das war eine tolle Anerkennung für den Kulturtransfer zwischen dem griechischsprachigen und dem deutschsprachigen Raum. Zum ersten Mal wurde dieser Preis einem Übersetzer aus dem Griechischen verliehen. Ich sah mich bestätigt als Vermittlerin und Promoterin griechischer Literatur, die es bei deutschsprachigen Verlagen sehr schwer hat. Immer wieder werde ich gefragt, woran das liegt. Bei der letzten Buchmesse in Frankfurt wurden 450 Titel aus dem Niederländischen und Flämischen übersetzt (mit 22-23 Millionen Sprechern), im Vergleich dazu nur 50 Titel im Jahr 2001, als Griechenland Gastland war (bei 11 Millionen Sprechern plus Diaspora). Das liegt einerseits an der Ähnlichkeit der Erzählweisen, andererseits aber auch an einer funktionierenden Übersetzungsförderung durch die niederländisch/flämische Kulturpolitik. Darin sehe ich das größte Problem in der Verbreitung zeitgenössischer und auch klassischer neugriechischer Literatur.

Wittgenstein hat gesagt: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ Heute kann man ohne Übertreibung sagen, dass die Grenzen unserer Welt so weit wie unser Netzwerk reicht. Können das Internet und die Technologie neue Wege für den Gedankenaustausch, inbes. für den Bereich Literatur und Übersetzung sein?

Was mir in den letzten Jahren sehr am Herzen liegt, ist eine Modernisierung des Griechenland-Bildes und eine Imageveränderung. Für mich war die Beobachtung der gegenseitigen Wahrnehmungsmechanismen in Presse, TV und Sozialen Medien überaus aufschlussreich. Das hat mich motiviert, einen neuartigen zweisprachigen Kommunikationskanal einzurichten, der auf bürgerschaftliches Engagement setzt: www.diablog.eu, die zweisprachige deutsch-griechische Kulturwebsite. In Kulturfragen ist die Zivilgesellschaft genauso gefordert wie staatliche Organe, Stiftungen und die Privatwirtschaft. Kultur ist kein passives Konsumieren, sondern aktives Mitmachen. Dafür eignen sich das Internet und die Sozialen Medien sehr gut. Sie sind so gut wie jedem zugänglich, und damit können wir Themen und Texte platzieren, die in deutschsprachigen Mainstream-Medien keine Chance auf Publikation hätten. Nicht, weil sie nicht gut genug sind, sondern weil es keine geeigneten „Aufhänger“ für sie gibt bzw. weil sie von keinem „Event“ begleitet sind, das mediale Aufmerksamkeit verspricht. Deshalb sind digitale Medien gut für Produkte geeignet, die eine bestimmte Zielgruppe haben. Über Facebook kommunizieren z. B. viele Dichter miteinander und tauschen sich aus, da sie sonst wenig Raum in anderen Medien finden.

Nehmen wir an, Griechenland überwindet die Finanzkrise und es gäbe das nötige Geld, um auf allen Gebieten zu investieren. Was wäre Ihrer Meinung nach der erste Schritt, der im Bereich Literatur und Übersetzung getan werden müsste? Sind die Schwierigkeiten, die Griechenland auf diesem Sektor hat, nur der finanziellen Situation geschuldet oder stecken auch andere Gründe dahinter?

Wie kann ich erreichen, dass zeitgenössische griechische Literatur einfach als gute Literatur wahrgenommen wird, und nicht mit folkloristischen Bildern, Motiven und Argumenten angepriesen werden muss? Durch die Schaffung von funktionierenden Förderinstrumenten zur Literaturübersetzung. In Bezug auf historische Forschung und den akademischen Betrieb kann man sagen, dass sich solche Förderungen lohnen, wie sie z. B. der deutsch-griechische Zukunftsfonds und die Niarchos-Stiftung unternehmen. Im Bereich der Literatur gibt es so etwas nicht.

Die deutsch-griechische Übersetzungsförderung braucht ein innovatives Konzept, das über eine unilaterale, nationale Unterstützung von Übersetzungsprojekten hinausgeht. Damit wird ein interessanter Ansatz für andere „Sprachenpaare“ geschaffen und das deutsch-griechische Paradigma zum Vorreiter für eine europäische Kulturkommunikation. Dadurch wird der literarische Kulturaustausch auf eine europäische Ebene gehoben, die über Nationalstaaten hinausgeht und in Sprach-, Kultur- und Mentalitätsräumen im gesamteuropäischen Zusammenhang denkt.

Das Konzept geht von zwei Sprach- und Kulturräumen aus – vom deutschsprachigen Raum, der die Bundesrepublik Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz umfasst, und vom griechischsprachigen Raum, der Griechenland, Zypern und die Diaspora einschließt. Es geht um den Dialog zwischen diesen Kulturräumen, der bislang stets einseitig finanziert wurde, und zwar von den einzelnen Nationalstaaten. Es ist an der Zeit, diesen Ansatz zu überwinden und einen Fonds zu schaffen, der aus nationalen, regionalen und überregionalen Geldern und auch von privaten Organisationen und Stiftungen sowie durch EU-Förderungen gespeist werden kann.

Interview: Dimitra Didaggelou/Michaela Prinzinger. Foto: Barbara Zuber-Goldstein.

Dieser Beitrag ist auch verfügbar in: EL