Moutsa

Wie übersetzt man Gesten?

Michaela Prinzinger lebt in Berlin und übersetzt griechische Gegenwartsliteratur. Des öfteren gibt ihr „Unübertragbares“ schwere Rätsel auf. Für die Zeitschrift „Deutsch Perfekt“ verfasste sie folgende Kolumne.

Was fällt dem Übersetzer am schwersten? Eine Entsprechung für Realien zu finden, die in der anderen Sprache, Realität und Mentalität verwurzelt sind. So haben sich Ausdrücke wie Rebetiko, Kafenion und Busuki oder Souflaki auch bei uns eingebürgert. Dazu zähle ich aber auch das gestische Vokabular. Bei einer Übersetzung des griechischen Gegenwartsautors Petros Markaris sah ich mich mit einer beleidigenden Geste konfrontiert, die es – meines Wissens – nur in Griechenland gibt: die Moutsa. Mit der offenen Handfläche und fünf ausgestreckten Fingern wird auf das Gesicht des anderen gedeutet. Des öfteren behelfe ich mir – vereinfachend und eindeutschend – mit „Vogel zeigen“ oder „sich an die Stirn schlagen“, doch in der konkreten Erzählung wurde die Geste direkt thematisiert und es führte kein Weg daran vorbei, die Moutsa als eigenen, neuen Begriff ins Deutsche einzuführen. So können Übersetzungen Wortschatz und Weltwissen des deutschen Muttersprachlers erweitern.

Petros Markaris: Balkan Blues. Geschichten. Aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger. Zürich, Diogenes 2005.

Dieser Beitrag ist auch verfügbar in: EL