Interview in der Zeitung „Elliniki Gnomi“, das Michaela Prinzinger dem Chefredakteur Apostolis Zois gegeben hat.
—Sie sind Übersetzerin von Ioanna Karystiani und Petros Markaris ins Deutsche, und Ihnen wird dieses Jahr der Österreichische Staatspreis für literarische Übersetzung 2015 verliehen. Wie empfinden Sie diese Auszeichnung? Haben Sie so etwas erwartet?
Ich freue mich sehr über diese Anerkennung, und speziell darüber, dass sie aus meinem Heimatland Österreich kommt. Meiner Meinung nach kann Österreich in den angespannten deutsch-griechischen Beziehungen eine vermittelnde Rolle spielen. Ich interpretiere den Preis als Ermunterung an uns Literaturübersetzer, mit dem Kulturtransfer unermüdlich weiterzumachen. Zum ersten Mal wird von offizieller Seite aus dem deutschsprachigen Raum anerkannt, dass es einen Transfer zeitgenössischer griechischer Kultur gibt, und sogar, dass er erwünscht ist. Das war in dieser Form nicht zu erwarten angesichts der Tatsache, dass das Interesse deutschsprachiger Verlage an der griechischen Literatur beklagenswert gering ist.
—Wie sind Sie mit Griechenland verbunden? Wie hat sich ihr Interesse an Land und Sprache entwickelt?
Ich bin auf geistige und emotionale Weise mit Griechenland verbunden. Vielleicht habe ich in meiner Ahnenreihe irgendwo einen ganz entfernten griechischen Vorfahren. Aber meine Familie stammt aus Österreich-Ungarn. Mich hat die Sprache fasziniert und die Literatur. So habe ich Byzantinistik und Neogräzistik an der Universität Wien studiert, mit dem Nebenfach Turkologie. Lange Zeit wollte ich im wissenschaftlichen Bereich arbeiten, schrieb sogar schon an einer Habilitationsschrift. Doch die Stellen an den Unis sind rar, da wollte ich nicht weitere Jahre meines Lebens in eine sehr unsichere Zukunft investieren.
—Wann und wie haben Sie begonnen, griechischen Autorinnen und Autoren zu übersetzen?
Das war ein glücklicher Zufall, wie viele Dinge im Leben. 2001 war Griechenland Gastland an der Frankfurter Buchmesse. Das bildete einen großen Schritt für die Wahrnehmung der zeitgenössischen griechischen Kulturproduktion. Im Zuge dessen wurde eine Reihe griechische Autorinnen und Autoren ins Deutsche übersetzt. Ich hatte das Glück, nach einem Auswahlverfahren durch den Diogenes-Verlag Übersetzerin von Petros Markaris zu werden. Er ist mittlerweile der bekannteste zeitgenössische Autor aus Griechenland im ganzen deutschsprachigen Raum. Es folgten andere Autoren wie Rhea Galanaki, Ioanna Karystiani, Mara Meimaridi und zuletzt Emilios Solomou, die ich für große und kleine Verlage übersetzen durfte.
—Könnten Sie uns etwas über ihre Website diablog.eu erzählen? Was war Ihre Motivation dazu?
Auslösendes Moment für die Entwicklung der zweisprachigen Kulturwebsite diablog.eu, deutsch-griechische Begegnungen, war die ewig gleiche Antwort von Verlagen und Presse, wenn ich ein Griechenland-bezogenes Thema vorgeschlagen habe: Das interessiert die Leute hier nicht. Dieses Totschlägerargument wollte ich nicht akzeptieren. Mich haben immer wieder Freunde und Bekannte gefragt: Kannst du uns griechische Autoren, Musiker, Künstler nennen und empfehlen? So entstand die Idee, eine Plattform zu schaffen, eine Wissensdatenbank, eine Informationsquelle, die sich für den Kulturaustausch einsetzt. Eine grundlegende Voraussetzung war für mich, dass wir zweisprachig sind. Denn nur mit den beiden, soliden Pfeilern können wir wirklich eine Brücke der Kommunikation und Verständigung bauen, auf der wir hin und her gehen, in beide Richtungen denken und argumentieren können. Grundlegend ist der Netzwerk-Gedanke für unser Projekt. Und der Gedanke des zivilgesellschaftlichen Engagements. Aus der Zivilgesellschaft muss die wahre Kulturpolitik kommen, nicht aus den Chefetagen von Kulturinstituten und Stiftungen.
—Glauben Sie, dass Kultur das beste Kommunikationsmedium zwischen den EU-Ländern ist, insbesondere heutzutage zwischen den Ländern des Nordens und des Südens?
Kultur verbindet, das ist unser Motto. Darin finden wir uns wieder, nicht im der Tagesaktualität unterworfenen Diskurs von Politik und Medien. Darin können wir aufeinander zugehen und wirklich Verständnis füreinander entwickeln, weil uns dieselben Fragen beschäftigen, auf die Kunst- und Kulturschaffende versuchen, eine Antwort zu geben. Vor allem der Dialog zwischen ökonomisch ungleichen Gesellschaften wird auf der Ebene der Kultur erleichtert. Es geht um das symbolische Kapital, das in diesen Ländern durch Kreativität und Engagement produziert wird. Im Grunde geht es um eine Neudefinition von „Kapital“.
—Hat man bisher genug in diese Richtung unternommen oder nicht?
Zu wenig. diablog.eu ist sozusagen ein gesamteuropäisches Modell, das auf bilateraler Ebene beginnt, Kommunikation und Dialog herzustellen, in einem Medium, das für alle zugänglich ist, dem Internet. Vom deutsch-griechischen Verhältnis ist es leicht auf andere übertragbar. Eigentlich sollte ich es mir patentieren lassen!
Hier der Link auf Griechisch: http://www.elliniki-gnomi.eu/michaela-printsigker-me-saginefse-i-elliniki-glossa-ke-filologia/
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